Ob Fußball-EM oder Olympia in London – bunte elastische Pflaster zieren die Körper der Athleten. Die Sportler schwören darauf, doch eine wissenschaftliche Fundierung der Wirkung steht noch aus.

So sehen Sieger aus. Julius Brink und Jonas Reckermann sorgten für eine Sensation. Sie sind die ersten deutschen Olympiasieger im Beachvolleyball und besiegten im Finale die Angstgegner und Weltmeister Alison/Emanuel aus Brasilien. Jonas Reckermann überzeugte im Finale nicht nur mit einer Klasse-Leistung, sondern trug auch seine türkisfarben getapete Schulter zur Schau. Überhaupt waren bei Olympia die Kinesio-Tapes in aller Munde bzw. besser gesagt auf nahezu allen Körpern. Auch bei anderen Sportgroßveranstaltungen wie der vergangenen Fußball-Europameisterschaft sind die Tapes nicht mehr zu übersehen wie die deutsche Fußball-Nationalmannschaft im Halbfinale gegen Italien schmerzhaft erleben musste. Denn Italiens Doppeltorschütze Mario Balotelli zog vor lauter Freude sein Trikot vom Körper und zeigte seinen getapeten Rücken. Dabei sind die elastischen Pflaster keineswegs neu, sondern wurden bereits in den 70er Jahren erfunden. Damals testete der japanische Chiropraktiker Kenzo Kase die Bänder an Sumo-Ringern. Mit einem klitzekleinen Unterschied: Die Tapes damals waren hautfarben und nicht wie heutzutage schrill bunt.

 

30 bis 40 Prozent der Olympiateilnehmer getapet

 

Im deutschen Olympia-Team schätzt man, dass ca. 30 bis 40 Prozent aller Olympia-Teilnehmer auf die Wirkung der Tapes schwören. Nicht nur die Hersteller der Bänder schwärmen logischerweise von den Vorteilen, auch die Anwender sind sehr begeistert. Die Tapes werden umfangreich eingesetzt: bei Muskelverletzungen und -verspannungen, Achillessehnenreizungen, Bänderdehnungen, geschwollenen Gelenken, nach orthopädischen Operationen, zur Schmerzlinderung, aber auch präventiv und in der Rehabilitation. Die Klebestreifen sind luftdurchlässig und wasserfest. Sie bestehen aus fein gewebter Baumwolle. Die Anwendung der Tapes bewirkt eine Anhebung der Haut . Dadurch findet eine Druckentlastung statt. Es soll die Blut- und Lymphzirkulation anregen und einen gewissen Massageeffekt bewirken. Je nach Anwendung der Tapes kommt es zur An- oder Entspannung der entsprechenden Muskulatur. Kinesio-Tapes, die speziell zur Schmerzlinderung verwendet werden, werden unter maximaler Zugwirkung befestigt. Damit werden eine Aktivierung der Mechanorezeptoren der Haut angestrebt und Schmerzrezeptoren blockiert.


Farbe der Tapes spielt eine Rolle

Wer nun glaubt, die Sportler wählen die Farbe der Tapes nach ihrem modischen Gusto oder passend zum sonstigen Outfit aus, hat sich gewaltig geirrt. Die Tapes sind mittlerweile in 17 verschiedenen Farben zu haben. Das rote Band soll durchblutungsfördernd wirken, blau steht für Beruhigung. Beige ist zum Antreiben des Lymphflusses, gelb zur Steigerung der Laune und grün zur Förderung der Regeneration. „Die Wirksamkeit des Kinesio-Tapings ist wissenschaftlich noch nicht ausreichend bewiesen“, erläutert Dr. Bernhard M. Zahn, Sportmediziner aus Berlin. Erst kürzlich haben neuseeländische Wissenschaftler die Wirkung von Kinesio-Tapes mit herkömmlichen elastischen abhäsiven Bandagen verglichen und sich dazu über 97 Studien zu diesem Thema angeschaut. Allerdings schafften es aufgrund der gesetzten Kriterien nur zehn dieser 97 Studien in die genaue Analyse. Die Tapes haben zwar nach Ansicht der Autoren einzelne positive Effekte, eine ausreichende wissenschaftliche Evidenz steht aber noch aus. „Ganz gleich wie der noch ausstehende wissenschaftliche Beweis der Wirkung der Tapes aussehen wird, viele Sportler fühlen sich mit diesen Bändern besser und leistungsfähiger. Auch wenn es sich dabei möglicherweise um einen Placebo-Effekt handelt, rate auch ich allein aus diesem Grund zur Verwendung der Bänder“, so Dr. Zahn.